Das Gebet im Gottesdienst

Was unterscheidet das persönliche Gebet im privaten Kämmerchen vom gemeinsamen Gebet im Gottesdienst mit anderen Gläubigen? Ist uns überhaupt ein Unterschied bewusst? Oder sehen wir die Gebetszeit in einem Gottesdienst als die Möglichkeit, für die selben Anliegen, für die wir sonst auch in unserer persönlichen Zeit mit dem Herrn reden würden, vor der versammelten Gemeinde zu beten? Was sind die Anliegen, die uns als Gemeinde ins gemeinsame Gebet treiben sollten?

Dies sind wichtige Fragen aber vielleicht auch Fragen, über die wir uns noch nie so richtig Gedanken gemacht haben. Gerade weil der Individualismus unserer Gesellschaft oftmals unsere Auffassung von Gottesdienst und Gebet beeinflusst hat, ist es wichtig dieses Thema einmal gut zu durchdenken.

Eine hervorragende Ressource, die sich mit diesen und vielen anderen Fragen über das Gebet in der Gemeinde beschäftigt, ist das 9Marks Journal vom Frühjahr 2016: The Church Praying. Dieses Journal ist eine Sammlung von kurzen, prägnanten und zum Teil ganz unterschiedlichen Beiträgen zum Thema Gebet für und in der Gemeinde. Einige der beitragenden Autoren haben ganze Bücher zu diesem Thema geschrieben und in diesem Journal eine Synopsis oder einen Auszug ihres Buches zur Verfügung gestellt.

Ein Beitrag, der mir besonders gut geholfen hat, Gebet im Gottesdienst noch mal neu zu überdenken, war der von Megan Hill, “Praying Together: An Invisible, Yet Vital Work” (“Gemeinsam Beten: Eine unsichtbare und doch entscheidende Arbeit”). Megan Hill ist auch die Autorin des Buches, Praying Together: The Priority and Privilege of Prayer in Our Homes, Communities, and Churches, das dieses Jahr rausgekommen ist (Crossway, 2016).

Warum diese Arbeit des Gebetes als Teil des Gottesdienstes und Gemeindelebens so entscheidend ist, beantwortet Megan Hill anhand der folgenden drei Punkte:

  1. Erstens, die betende Gemeinde ist eine Gemeinde, die ihre Abhängigkeit von Gott zugibt.
  2. Zweitens, die betende Gemeinde bestätigt den Wert jedes einzelnen Gliedes am Leib (in so fern, dass es beim gemeinsamen Gebet in der Gemeinde keine Elite oder Stars gibt, sondern jeder die selbe Möglichkeit hat zu beten).
  3. Drittens, die betende Gemeinde fokussiert sich auf ihre zentrale, geistliche Mission.

Zum dritten Punkt hier eine sehr aufschlussreiche Ausführung (aus dem Englischen direkt übersetzt):

Das Leben und der Dienst der Gemeinde besteht nicht nur in der sichtbaren Ebene von Fleisch und Blut, Gebäuden und Programmen (engl. “classes”), Ereignissen und Planungstreffen. Das Hauptgeschäft der Gemeinde findet in einer unsichtbaren Welt statt–und deshalb beten wir.

Wir beten zusammen, dass der Name Gottes erfolgreich in der Welt verkündigt wird (Joh. 17, 23–26), dass Arbeiter des Evangeliums (engl. “gospel laborers”) ausgesandt werden (Matt. 9, 38), dass Menschen errettet und Teil der Gemeinde werden (Apg. 2, 47), dass die Heiligen in Einheit leben (Ps. 133). Wir beten zusammen, dass Gott seine Gemeinde baut und das Reich Satans bezwingt (Matt. 16, 18), Glieder seinen Absichten entsprechend in Ortsgemeinden bringt (1. Kor. 12, 18), seiner Gemeinde Weisheit gibt (Matt. 21, 15; Jak. 1, 5), die Sicherheit seiner Heiligen sicherstellt (Joh. 6, 37) und uns letztendlich zum gemeinsamen Leben mit ihm bringt (Joh. 14, 3).

Für diese Dinge als Gemeinde vor den Thron der Gnade zu treten ist tatsächlich Arbeit. Oftmals anscheinend unfruchtbare und unbedeutende Arbeit, weil es eben das Wirken in einer unsichtbaren statt sichtbaren Welt ist. Aber es ist nötig, dass wir für diese Dinge gemeinsam als Gemeinde beten, denn dies sind die Anliegen, die uns das Wort Gottes selbst ans Herz legt. Mit solchen Anliegen nimmt das Gemeindegebet eine ganz andere Dimension an, als wenn einzelnen Gliedern bloss die Möglichkeit gegeben wird, ihre persönlichen Anliegen vor die Gemeinde und den Herrn zu bringen.

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