Jesus, mein Smartphone und ich

Vor einigen Wochen habe ich im Rahmen der Semestereröffnung der Evangelikalen Akademie (Wien) einen Vortrag über “Glaube und Technik” gehalten. In der Vorbereitung ist mir klar geworden, dass es zu diesem Thema recht wenig Ressourcen gibt. Und das obwohl wir doch in einer hoch technologisierten Welt leben und uns dringend mit der Frage auseinandersetzen müssten, wie wir als Christen mit der Technologie umgehen, die so vieles von unserem Leben prägt und bestimmt.

Ein sehr hilfreiches Buch, auf das ich in meinen Recherchen gestoßen bin, ist From the Garden to the City: The Redeeming and Corrupting Power of Technology von John Dyer. In diesem Buch treffen Dyers Leidenschaft für Technologie und seine biblisch-theologischen Erkenntnisse hervorragend aufeinander. Dyers Hauptthese ist, dass Technologie nicht etwas neutrales ist—dass es eben nicht nur darauf ankommt, wie ein technologisches Medium eingesetzt wird: zum Guten oder zum Schlechten. Er ist der Überzeugung:

“Eines der gefährlichsten Dinge, die du in dieser Welt glauben kannst, ist dass Technik und Technologie etwas neutrales sind!” (Dyer, 15).

Nehmen wir da als Beispiel unser Smartphone. Es reicht nicht, einfach zu sagen, dass unser Smartphone entweder zum Guten (z.B. ständige Erreichbarkeit; Vereinfachung und Beschleunigung (d.h. “Productivity”) vieler Bereiche unseres täglichen Lebens; etc.) oder Schlechten (z.B. Ablenkung; Flucht in die virtuelle Welt durch den ständigen Zugang zu den Sozialen Medien; Zugang zu gottlosen Internetseiten; etc.) eingesetzt werden kann. Denn, wie Dyer weiter argumentiert, bringt das Smartphone—wie auch jedes andere technologische Medium—eine Reihe von Werten, Bedeutungen und Identitäten mit sich. Und es ist genau mit diesen “kulturellen” Tendenzen, mit denen sich jeder Christ im Rahmen des Wortes Gottes und seines neuen Lebens in Christus einmal auseinandersetzen muss und denen er oder sie sich—wenn nötig— bewusst widersetzen muss.

In der Evolution des Handy und Smartphones ist über die letzten 30 Jahre z.B. ständige Erreichbarkeit und ununterbrochener Zugang zur virtuellen Welt zu einem bedeutenden Wert in unserer Kultur geworden. Mit der Weiterentwicklung des Walkman und MP3 Spielers zum Smartphone hat z.B. das Musikalbum mit einer Reihe von Liedern eines einzigen Interpreten an Bedeutung verloren. Statt dessen “shuffeln” wir jetzt einzelne Musikstücke, die wir selbst hochgeladen haben oder die uns ein App anhand unseres Musikgeschmacks aus dem Internet zusammengestellt hat. Die Fortentwicklung des Smartphones hat aber auch unsere Identitätsfindung geprägt. Per Smartphone präsentieren wir uns heutzutage unseren Freunden und der Welt durch Fotos und Status-Updates, die wir in den Sozialen Medien hochladen—und das fast zeitgleich mit unserem Erleben dieser Dinge. So schaffen wir Realität und Identität: Wir sind, was wir posten.

Als Christ ist deshalb entscheidend, dass wir in unserem Umgang mit der modernen Technologie lernen, die Werte, Bedeutungen und Identitäten zu hinterfragen, die in Verbindung mit einem gewissen technologischen Medium stehen, und wenn nötig diesen in unserem täglichen Leben bewusst entgegensteuern. Hier kommen die Worte des Apostel Paulus ins Spiel:

Und seid nicht gleichförmig dieser Welt, sondern werdet verwandelt durch die Erneuerung des Sinnes, dass ihr prüfen mögt, was der Wille Gottes ist: das Gute und Wohlgefällige und Vollkommene” (Röm 12,2; ELB).

Unser Umgang mit dem Smartphone bedarf somit, dass wir es bewusst nicht “gleichförmig dieser Welt” einsetzten sondern gemäß unserer neuen Gesinnung als Nachfolger Christi.

Und wie sieht dieses “nicht gleichförmig mit dieser Welt” und dem “erneuerten Sinnes Sein” in Bezug auf den Wandel in Werten, Bedeutung und Identität, den das Smartphone mit sich gebraucht hat, aus? Eine hilfreiche Antwort darauf gibt sicherlich Tim Challies in seinem 2011 erschienen Buch The Next Story: Life and Faith After the Digital Explosion. Dyer wiederum veranschaulicht für uns die Antwort auf diese Frage anhand einer Betrachtung von 2. Johannes 12:

Ich hätte euch viel zu schreiben, aber ich wollte es nicht mit Brief und Tinte tun, sondern ich hoffe, zu euch zu kommen und mündlich mit euch zu reden, damit unsre Freude vollkommen sei” (LUT).

Dyer erklärt hierzu:

“Johannes hatte nichts dagegen, die Kommunikationstechnologien seiner Zeit einzusetzen—Feder und Tinte. Aber er setzte sie mit ganz bestimmten Werten ein, die den Tendenzen widersprachen, die die Technologie des Schreibens innehatte. Während ein Brief voraussetzt, dass eine Person in Isolation seine Botschaft schreibt und dann eine andere Person in Isolation später diese Botschaft liesst, sagt Johannes, dass seine Freude niemals vollständig sei, bis er bei seiner Gemeinde physisch gegenwärtig war. Aber trotzdem, obwohl ihm dieses Problem bewusst war, macht Johannes von [Feder und Tinte] Gebrauch, weil er sowohl die Nützlichkeit als auch das [damit verbundene] problematische Wertesystem verstanden hatte. Aus dieser Perspektive heraus war er in der Lage Technologie im Dienst des verkörperten Gemeinschaftslebens, wie Christus es gelehrt hatte, einzusetzen. Solange Johannes nicht in der Lage war, physisch bei seiner Gemeinde gegenwärtig zu sein, machte ihm der Gebrauch von Technologie, um mit ihnen zu kommunizieren, nichts aus. Aber er betonte immer, dass er technologisch herbeigeführte Beziehungen bei weitem geringer einschätzte als physische Gemeinschaft. Für Johannes waren sowohl physische als auch nicht-physische Kommunikation ‘real’ und echt. Aber er glaubte ganz einfach, dass nur die Realität von Angesicht zu Angesicht ihm ‘vollkommene Freude brachte.’” (Dyer, 171f.)

Die selbe Herangehensweise, die Johannes hier anwendet, kann jetzt auch auch auf beliebige andere technologische Mittel angewendet werden. Dies setzt jedoch voraus, dass wir uns mit dem problematischen Wertesystem, das ein technologisches Medium innehat, vorsichtig auseinandersetzen und dann ermitteln, welche damit konkurrierenden Werte sich biblisch-theologisch aus unserem Leben in der Verbundenheit mit Christus ergeben. Nur so können wir lernen, angesichts der sich daraus ergebenen biblischen Werte, Bedeutungen und Identität mit gewissen Vorbehalten diese Technologie nützlich zu machen.

Kommen wir hier mit einigen kurzen Skizzierungen seines problematischen Wertesystems und seiner kulturellen Tendenzen auf das Smartphone zurück. Das Smartphone kann zur Tendenz verleiten, nicht einmal mehr verbal kommunizieren zu wollen (d.h. zu telefonieren) sondern nur noch “unpersönlich” per Messaging. Es kann dazu verleiten, jede “ungenutzte” Minute mit Spielen, Sozialen Medien, Nachrichten, Videos oder Musik beschäftigt zu sein, statt Menschen um einen herum und ihre Nöte wahrzunehmen. Wie eine jüngste Studie aufgezeigt hat, können Smartphones Stress und Abhängigkeit verursachen—und das schon bei unseren jüngsten Schulkindern—weil man sich ständig gezwungen fühlt, mit all der Information auf dem Laufenden zu bleiben, die einem das Smartphone liefert.

Diese aufgezeichneten Tendenzen stehen eindeutig in Konkurrenz zu der erneuerten Gesinnung, die wir als Nachfolger Christi haben. Weil das Smartphone die Tendenz mit sich bringt, dass es meine ganze Aufmerksamkeit vereinnahmt, will ich als Christ umso bewusster darauf achten, dass ich aus Liebe zu meinem Nächsten (Joh 13,35; Röm 12,9-10), meine Aufmerksamkeit auf ihn und die Nöte um mich herum lenke (1Kor 10,24). Als Nachfolger Christi will ich bewusst der Tatsache entsprechend leben, dass Gott Menschen in mein Leben stellt und mir über den Weg laufen lässt, den ich dienen kann und soll (Phil 2,3-5). Dieser Gedanke gilt insbesondere für die Aufmerksamkeit, die ich meinem Ehepartner, Kindern, Arbeitskollegen und Geschwistern in der Gemeinde zuwende, statt mich vom Smartphone vereinnahmen zu lassen (Eph 5,28).

Weil das Smartphone die Tendenz mit sich bringt, dass ich meine Kommunikation mit den Menschen, die Gott in mein Leben stellt, auf’s Messaging reduziere, so will ich als Nachfolger Christi umso bewusster verbale Kommunikation per Telefon—oder noch besser von Angesicht zu Angesicht—in meinem Leben pflegen, wertschätzen und fördern (2Joh 12; 3Joh 13-14; Röm 1,11). Ich lebe aus der Überzeugung heraus, dass Gemeinschaft ein besonderes Geschenk Gottes ist, das wir als Christen wertschätzen und anstreben (Phil 2,1; Eph 4,1-6). Diese Gemeinschaft fängt schon mit dem gesprochenen statt “gesimsten” Wort an.

Angesichts meiner erneuerten Gesinnung als Christ will ich aber auch dagegen ankämpfen, dass mich etwas gefangen oder in die Abhängigkeit führt (1Kor 6,12; 10,23)—erst recht kein Smartphone oder Tablet. Meine Sicherheit, meinen Wert, meine Identität und meine Geborgenheit finde ich nicht in meinem Smartphone und der Information, die es für mich und über mich ausspuckt, sondern in der Liebe Gottes, in der ich verwurzelt bin (Gal 2,20; Eph 3,17). Es wäre einmal interessant, an dieser Stelle der Frage nachzugehen, in wiefern das Smartphone oftmals dazu dient der “Lust des Fleisches”, “Lust der Augen” und dem “Hochmut des Lebens” nachzueifern statt in der Liebe Gottes verwurzelt zu sein (1Joh 2,15-17).

Egal wie wir es drehen oder wenden, das Smartphone bringt Tendenzen mit sich, denen es gilt, sich angesichts unserer erneuerten Gesinnung, Werte und Identität in Christus bewusst zu widersetzen. Möge der HERR uns hier viel “Weisheit von oben” schenken (Jak 3,13-18)!

Weitere hilfreiche Ressourcen:

“A biblical theology of technology?” (Blogartikel von Graham Stanton)

“Towards a Biblical View of Technology” (Aufsatz von Stephen Whiting)

Power Failure: Christianity in the Culture of Technology (eines von einer ganzen Reihe von Büchern von dem christlichen Philosophen Albert Borgmann)

Eine Antwort

  1. Xaver Paul Omulan sagt:

    “Eines der gefährlichsten Dinge, die du in dieser Welt glauben kannst, ist dass Technik und Technologie etwas neutrales sind!”

    Das kann jeder wissen, der sich mit Neil Postman und/oder Günter Anders und/oder Jacques Ellul beschäftigt hat.

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