Pfingsten der Geburtstag der Gemeinde?
Pfingsten wird oft der Geburtstag der Gemeinde genannt. Stimmt das eigentlich? Wie man diese Frage beantwortet hängt davon ab, wo man Kontinuität bzw. Diskontinuität zwischen dem Alten und Neuen Testament sieht. Einfacher gesagt: was ändert sich, was bleibt gleich?
Die zwei meist verbreiteten Systeme sind auf der einen Seite die Bundestheologie und auf der anderen der Dispensationalismus. Vielleicht hast du diese großen Worte noch nie gehört, doch die Chancen stehen gut, dass du eines dieser beiden Systeme mehr oder weniger verinnerlicht hast.
In dem Sammelwerk “Progressive Covenantalism” (PC) von Stephen J. Wellum und Brent E. Parker (Editoren) wird zwischen diese beiden Sichtweisen noch eine dritte in die Mitte gestellt. Doch zuerst möchte ich kurz erklären, was diese beiden Positionen sind.
Die Bundestheologen (Vgl. PC Chapter 2 p. 39) kommen aufgrund ihrer Sicht von der Einheit des Gnadenbundes in der Heilsgeschichte zu einer Position der Kontinuität. Die Natur der Gemeinde ist im wesentlichen gleich wie Israel. Man spricht von der Erfüllung von Israel in der Gemeinde. Von außen wird diese Sichtweise oft Ersatztheologie genannt, was aber eher ein polemischer Begriff ist und die Position schlecht beschreibt. Kurz gesagt, das Alte Testament erfüllt sich im Neuen und die Gemeinde ist das “Neue Israel”.
Auf der anderen Seite ist das sine qua non des Dispensationalismus (Vgl. PC Chapter 2 p. 40) die strikte Unterscheidung von Israel und der Gemeinde. Soweit, dass alttestamentliche Prophezeiungen und Versprechen noch in Zukunft erfüllt werden müssen und zwar an einem nationalen, politischen und ethnischen Israel. Israel und die Gemeinde sind zwei getrennte Entitäten für die Gott unterschiedliche Pläne hat.
Die neue Zwischenposition, die die Autoren vorschlagen, nennen sie Israel-Christus-Gemeinde-Sicht. Dabei wird betont, dass alle biblischen Bünde und typologischen Strukturen in Christus ihren Höhepunkt finden. Mit Auswirkungen und Implikationen für das neue Volk Gottes: die Gemeinde.
- Wenn die Identität des altestamentlichen Volkes Israel inklusive deren prophezeiten nationalen und stellvertretenden Rolle in Jesus und in weiterer Folge der Gemeinde erfüllt ist, stellt dies fundamentale Prinzipien des Dispensationalismus in Frage. Das Neue Testament präsentiert in Jesu Leben, Tod und Auferstehung die Erfüllung der Wiederherstellung, der Heimführung aus dem Exil, der Landnahme, des Opfersystems, der Stiftshütte, des Tempels, des Sabbaths, der Feste, des Gesetzes, insgesamt der Identität und Rolle Israels. Jesus ist das wahre Israel.
- Wenn Jesus der Antityp für Israel im Neuen Testament ist, welche Implikationen hat dies für die nun in Glaubenseinheit mit ihm verbundene Gemeinde? Im Unterschied zur Bundestheologie hält ihre Position daran fest, dass die Natur der Gemeinde aus Juden und Heiden in Einheit mit Christus durch Glauben nicht die gleiche ist wie die von Israel im Alten Testament. Die Beziehung von Israel zur Gemeinde ist kein einfacher Ersatz aber auch keine radikaler Bruch, sondern eine durch die Verbindung zu Christus vermittelte Kontinuität.
(Vgl. PC Chapter 2 p.43.)
Im Kapitel 2 wird da nn anhand der Bibel gezeigt, wie Christus typologisch die Rolle von Israel erfüllt und wie die Kirche in ihrer Verbindung mit Christus diese Verheißungen erbt. Die Kirche ersetzt Israel nicht, sondern ist die wiederhergestellte Bundesgemeinschaft, die Israel erwartete.
Abschließend ein Zitat von Douglas Moo zu Römer 11 als Zusammenfassung:
Die Beziehung von Israel zur Gemeinde aus der Perspektive von Paulus ist viel mehr geschichtlich verankert und fortschreitender, als ein einfaches Israel = Gemeinde Modell es vermuten lassen würde. In der Ölbaum Analogie aus Römer 11 sehen wir klar, dass Paulus die vom Messias geretteten Heiden nicht als einen eigenen Körper sieht, sondern als zu Israel gehörig. Es stimmt, dass dies nicht einfach das nationale Israel ist, da ungläubige Juden abgeschnitten werden können und werden. Aber es ist das geistliche Israel innerhalb Israels, das nach Römer 9 immer existierte und nach Römer 11,6 aus dem Samen wächst, der den Patriarchen versprochen wurde. Wenn wir dieser Logik folgen, ist die Kirche nicht so sehr ein Ersatz für Israel, oder ein neues Israel sondern die Fortsetzung von Israel im Zeitalter der Erfüllung. Wie es immer der Fall war, sind gläubige Juden (der Überrest) Teil dieses geistlichen Israels. Und wenn Paulus “den Juden zuerst” sagt ist klar, dass dieser Platz der Juden im neuen Israel passend und nötig ist. Jetzt aber, in der Erfüllung der Verheißung Abrahams und der prophetischen Erwartung des umfassenden Ausmaßes von Gottes Reich, werden Heiden Teil von Israel. Und in Zukunft werden, so wie ich Römer 11 lese, noch viele Juden hinzustoßen. (Douglas Moo, ” Pauls Universalizing Hermeneutic in Romans, SBTJ 11 (2007).77)
Also ist Pfingsten wenn man so will, die Hochzeit von Heiden und Juden in dem einen neuen Israel der Gemeinde.