Das gefährliche Schweigen über Ehe und Sex (Teil 1)

Die letzten drei Jahrzehnte haben eine radikale Neudefinierung von Ehe, Sexualität und Gender mit sich gebracht. Man fragt sich, wie konnte sich eine derartige Revolution in nur so kurzer Zeit vollziehen.  Albert Mohler gibt in seinem 2015 bei Nelson Books erschienen Buch We Cannot be Silent: Speaking Truth to a Culture Redefining Sex, Marriage, and the Very Meaning of Right and Wrong (dt. „Wir können nicht schweigen: Die Wahrheit reden in einer Kultur, die Sexualität, Ehe und die Bedeutung von richtig und falsch neudefiniert”) einige sehr aufschlussreiche Antworten auf diese Frage—Antworten, die aufzeigen, dass die Revolution schon lange im Kommen war, die evangelikale Christenheit bloß in vielen Fällen zu diesen Themen geschwiegen hat und/oder schweigt.

R. Albert Mohler, Jr. ist wohl einer der bedeutendsten Denker in der gegenwärtigen konservativ-evangelikalen Bewegung in den USA. Er stellt sich vielen schweren und herausfordernden Fragen, zu denen andere Evangelikale leider schweigen. Mohler ist Präsident des „Southern Baptist Theological Seminary“ in Louisville, Kentucky (USA) und hat in dieser Position in den letzten Jahrzehnten für eine Erneuerung innerhalb der Southern Baptist Denomination gesorgt. Al Mohler wird einer der Hauptredner bei der bevorstehenden Evangelium21 Konferenz in Hamburg vom 27.-29. April sein: „500 Jahre Reformation—Gemeinsam für das Evangelium“.

Mohler erklärt in seinem Buch, We Cannot be Silent, dass das Umdenken über die Ehe (er redet von einer „eclipse“, also einer Verfinsterung der Ehe) in dem letzten Jahrhundert auf die folgenden vier folgenschweren Entwicklungen zurückzuführen ist: Geburtenkontrolle und Verhütungsmittel, Ehescheidung, fortschrittliche Reproduktionsmedizin und nichteheliche Lebensgemeinschaften (Kohabitation).

Zum Thema Geburtenkontrolle und Verhütungsmittel erklärt Mohler:

„Letztendlich, entfesselte das Vorhandensein von Empfängnisverhütung in höchst zuverlässiger Form—insbesondere in Form der Pille—die sexuelle Revolution. Solange Geschlechtsverkehr mit der Möglichkeit einer vorhersehbaren Schwangerschaft verbunden war, wurde außerehelicher Geschlechtsverkehr biologisch in Schach gehalten und sexuelle Unmoral aufgehalten. Als jedoch erst einmal dieses Hindernis beseitigt wurde, wurden Geschlechtsverkehr und Kinder [Bekommen] gewissermaßen voneinander getrennt und Geschlechtsverkehr zu etwas umdefiniert, das nicht notwendigerweise etwas mit dem Geschenk von Kindern zu tun hat.“ (S. 19)

Wie Mohler aufzeigt, wurde die Empfängnisverhüttung Anfang des 20. Jh. noch von jeder christlichen Denomination verurteilt. Aber im Laufe des Jahrhunderts wurden auch unter evangelikalen Christen Geburtenkontrolle und Verhütungsmittel als Erscheinungen des modernen Zeitalters akzeptiert und ohne moralische oder biblische Reflexion davon Gebrauch gemacht (S. 17).

Die zweite schwerwiegende Entwicklung, auf die Mohler eingeht, ist die Änderung des Scheidungsgesetzes in den 60er und 70er Jahren—die Einführung der „einvernehmlichen Ehescheidung“. Auf diese Entwicklung soll in einem separaten Blogeintrag eingegangen werden.

Die dritte schwerwiegende Entwicklung, auf die Mohler die radikale Neudefinierung von Ehe in den letzten dreißig Jahren zurückführt, ist die fortschrittliche Reproduktionsmedizin. Er verweist hier auf die Tatsache, dass in der Menschheitsgeschichte noch bis vor kurzem das „Bekommen“ von Kindern einen Mann und eine Frau voraussetze, die miteinander Geschlechtsverkehr haben. Aber das hat sich geändert. Er bringt diese Tatsache wie folgt auf den Punkt:

„So wie die Pille Geschlechtsverkehr ohne [die Möglichkeit] eines Kindes zulässt, lässt die fortschrittliche Reproduktionsmedizin ein Kind ohne Geschlechtsverkehr zu.“ (S. 25)

Es ist offensichtlich, dass dieses Phänomen eine ganz neue Relevanz angesichts gleichgeschlechtlicher Ehen und ihrer Familienplanung mit sich bringt. Es stellt sich die Frage: hat die evangelikale Christenheit dieses Thema wirklich gründlich genug reflektiert?

Einen letzten Faktor, den Mohler für die Neudefinierung von Ehe nennt, ist die folgenschwere Entwicklung zu nichtehelichen Lebensgemeinschaften (Kohabitation) und Geschlechtsverkehr außerhalb des Rahmens der Ehe. Zu diesem Thema macht Mohler die folgende Beobachtung:

„[Weil] die Ehe als solche in unserer Gesellschaft in Bezug auf Geschlechtsverkehr immer mehr marginalisiert wurde . . . macht der herkömmliche Bezug auf ‚außerehelichen Geschlechtsverkehr‘ gar keinen Sinn mehr, weil Ehe nicht einmal mehr in Betracht gezogen wird. Das ist eine fundamental neue Sache in Bezug darauf, wie Menschen über die Jahrtausende gelebt haben. . . . Jede einzelne Zivilisation hat seinen Weg zur Ehe gefunden und das zumeist ziemlich schnell. Die Ehe wurde als die Norm, die Erwartung, das Zeichen des Erwachsenseins und als der einzige von der Gesellschaft gebilligte Rahmen für Geschlechtsverkehr und Fortpflanzung geschaffen. All das hat sich in den letzten Jahrzehnten verändert und somit die moralischen Überzeugungen und gesellschaftliche Beurteilung rückgängig gemacht.“ (S. 27)

Mohler bringt diese Entwicklung mit ihren weitreichenden Folgen wie folgt auf den Punkt:

„Wo es keine Ehe gibt, da gibt es auch keinen Ehebruch—und genau das ist der Punkt. Ehebruch verschwindet wenn Ehe verschwindet. Und das Verschwinden der Ehe bedeutet, dass die Auffassung von ‚außerehelichem Geschlechtsverkehr‘ jegliche moralische Triftigkeit verliert.“ (S. 29)

Ohne Frage, Christen können nicht zu dem Thema gleichgeschlichtlicher Ehe und weiteren Entwicklungen in Sachen Ehe, Sexualität und Gender schweigen. Denn, wie Mohler aufzeigt, haben sie in diesen Angelegenheiten schon viel zu lange geschwiegen und damit einiges an folgenschweren Entwicklungen zugelassen.

(Ein zweiter Teil zu diesem Artikel hier)

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