Warum lese ich meine Bibel? – Teil 2

Warum lesen wir täglich unsere Bibel? Mit dieser Frage haben wir uns bereits in einem vorherigen Blogeintrag beschäftigt. Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass wir täglich unsere Bibel lesen, weil nur so unser Leben immer wieder neu auf unsere Verbundenheit zu Christus ausgerichtet werden kann—die Quellen wahren geistlichen Lebens. Aber am Ende des Blogs wurde dann deutlich, dass der Beitrag ganz entscheidende Fragen offen gelassen hatte. Nämlich: Wie kann ich täglich von den ganz unterschiedlichen Büchern der Bibel (von Genesis bis Maleachi und Matthäus bis Offenbarung) mehr über mein Heil in und meine Verbundenheit mit Jesus Christus lernen? Oder anders gefragt: Wie dient das Wort Gottes dazu, mein Leben auf Jesus auszurichten? Diese Fragen wollen wir in einigen weiteren Blogeinträgen beantworten.

Von der biblisch-theologischen Untersuchung einiger neutestamentlichen Texte lässt sich ableiten, dass das Wort Gottes uns auf unser Leben mit und durch Christus ausrichtet, indem es uns zieht, verheisst, warnt und korrigiert. In diesem Blogeintrag soll zuerst einmal aufgezeigt werden, wie das Wort Gottes uns zieht und einlädt, aus dem Evangelium heraus zu leben (anhand einiger Betrachtungen aus dem 1. Petrus-Brief) und uns die Verheissungen Gottes in Christus Jesus präsentiert und so zum Glauben an (und in) Christus animiert (anhand einiger Betrachtungen aus dem Hebräer-Brief). In einem weiteren Blogeintrag wollen wir dann auch die anderen beiden Pfade anhand des 1. Korinther und Jakobus-Briefs beleuchten. Ein abschliessender vierter Teil soll dann auch noch aufzeigen, wie sich aus dem heilsgeschichtlichen Lesen des Alten Testamentes mindestens sechs Pfade ergeben, die uns zu Christus und dem Leben aus dem Evangelium heraus führen.

Kommen wir zum ersten Punkt: das Wort Gottes zieht uns. Das Evangelium, das uns die Bibel präsentiert, lädt uns zur Verbundenheit mit Christus ein. Das macht Petrus in seinem ersten Brief deutlich, wenn er sagt:

Denn ihr seid wiedergeboren nicht aus vergänglichem, sondern aus unvergänglichem Samen, nämlich aus dem lebendigen Wort Gottes, das da bleibt. . . . Das ist aber das Wort, welches unter euch verkündigt ist. . . . seid begierig nach der vernünftigen lauteren Milch wie die neugeborenen Kindlein, damit ihr durch sie zunehmt zu eurem Heil, da ihr ja geschmeckt habt, daß der Herr freundlich ist.” (1. Petrus 1, 23. 25; 2, 2-3)

Dieser Text macht deutlich, dass es das Wort Gottes ist—hier bezeichnet als ein “unvergänglicher Samen”—das uns geistlich lebendig macht, das uns also in das Leben, das wir in und durch Christus Jesus haben, hineingeführt hat (vgl. V. 23). Weiter bezeichnet Petrus es als das Wort, das “unter uns verkündigt wurde” (V. 25). Diese Beschreibung kann auch als “welches unter euch als frohe Botschaft verkündigt wurde” übersetzt werden, weil das Verb, das diesem Satz zugrunde liegt, das gr. Wort “euaggelizo” ist—also den Wortstamm teilt, von dem wir auch unser Wort Evangelium ableiten. Das Wort Gottes kommt wahrhaftig zu uns als eine gute Nachricht. Und wie Vers 2 vom nächsten Kapitel dann betont, lässt es uns schmecken, “dass der Herr freundlich ist” (V. 2). Petrus beschreibt also, wie wir beim Lesen der Bibel die frohe Botschaft von Christus und dem neuen Leben in ihm vernehmen und so schmecken und uns vergegenwärtigen, dass der HERR uns freundlich gesinnt ist. Wir erfahren in Gottes Wort, dass wir in Christus erwählt, geliebt, gerecht, angenommen, sicher und vieles mehr sind! Und so schafft das Wort neues, geistliches Leben in uns. Kein Wunder, dass Petrus seine Leser auffordert, “begierig nach der vernünftigen lauteren Milch [zu sein] wie die neugeborenen Kindlein, damit ihr durch sie zunehmt zu eurem Heil” (2, 2). Petrus macht also deutlich, wie dringend wir Gottes Wort brauchen, weil es uns das Evangelium von Christus vor Augen führt und so in das Leben in der Verbundenheit mit Christus hineinzieht.

Aber nicht nur zieht das Wort Gottes, sondern zweitens verheißt es auch. Die Verheissungen der Bibel führen uns tiefer in den Glauben hinein, der notwendig ist, um in Verbundenheit mit Christus zu leben. Eine gute Veranschaulichung dafür ist der Hebräer-Brief. Frank Thielman erklärt in seiner Theology of the New Testament (Zondervan, 2005) die Absicht des Hebräer-Briefs wie folgt:

“Der Autor des Briefes ermutigt seine Leser, ihrem christlichen Bekenntnis treu zu bleiben angesichts der Tatsache, dass sie in der gesamten Zeitachse der Heilsgeschiche eine Vorrechtposition einnehmen.” (Thielman, 596; eigene Übersetzung)

Mit dem Vorrecht “in Christus” zu sein ist eine ganz neue Zeit in der Heilsgeschichte angebrochen. Dieses Privileg kommt mit kostbaren Verheissungen, die es gilt im Glauben zu ergreifen, und an denen es gilt im Glauben festzuhalten! Und genau darum geht es unter anderem dem Schreiber des Hebräer-Briefs. Deshalb erklärt er: “Es ist aber der Glaube eine feste Zuversicht auf das, was man hofft, und ein Nichtzweifeln an dem, was man nicht sieht. Durch diesen Glauben haben die Vorfahren Gottes Zeugnis empfangen” (Hebräer 11, 1-2). Auf diesen Vers folgt eine Ahnengalerie von solchen, die Gottes Verheissungen geglaubt haben und deren Beispiel wir folgen sollen.

Dieses Leben im Glauben beschreibt der schottische Theologe Sinclair Ferguson wie folgt:

“Durch den Glauben zu leben bedeutet, nicht angesichts dessen zu leben, was wir sehen, fühlen und berühren können–also angesichts der Erfahrung unserer Sinne–sondern auf Grund dessen, was Gott gesagt und verheissen hat. Das ist Glauben. Er hat sein Epizentrum in unserem Herrn Jesus Christus. [Der Glaube] nimmt seine praktische Form darin an, was Gott in seinem Wort gesagt und verheissen hat” (Sinclair Ferguson, In Christ Alone: Living the Gospel Centered Life [Reformation Trust, 2007], 139f.; eigene Übersetzung).

Das Wort Gottes ist somit ein Mittel, das Gott gebraucht, um uns noch bewusster in seinen Verheissungen leben zu lassen. In Hebräer 4, 1 heisst es dazu: “So laßt uns nun mit Furcht darauf achten, daß keiner von euch etwa zurückbleibe, solange die Verheißung noch besteht, daß wir zu seiner Ruhe kommen.” Wir brauchen Gottes Wort, weil es uns die Verheissungen vor Augen hält, die uns als Vorrecht “in Christus” gelten, und so tiefer in den Glauben hineinführt.

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