Gebet: Ein Aufschrei nach Gottes Herrschaft

In der Advents- und Weihnachtszeit singen wir viele Lieder, die Jesus Christus als König und Herrscher beschreiben. So z.B.

Freue dich Welt, dein König naht.
Mach deine Tore weit,
Er kommt nach seines Vaters Rat,
Der Herr der Herrlichkeit.

Oder auch das deutsche Weihnachtslied:

Mach hoch die Tür, die Tor macht weit!
Es kommt der Herr der Herrlichkeit,
Ein König aller Königreich,
Ein Heiland aller Welt zugleich,
Der Heil und Leben mit sich bringt.

In diesen Liedern bringen wir unsere Sehnsucht nach der Herrschaft Jesus Christi in unserem Leben und unserem Umfeld zum Ausdruck.

Hast du dir schon einmal Gedanken gemacht, dass es sich auch beim Gebet letztendlich genau um diese Sehnsucht dreht? War es nicht Jesus Christus selbst, der uns gelehrt hat wie folgt zu beten (Matt. 6, 9-10):

Darum sollt ihr so beten:
Unser Vater im Himmel!
Dein Name werde geheiligt.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden.

Wenn wir beten, bringen wir die selbe Sehnsucht zum Ausdruck, die wir auch in unseren Adventliedern zum Ausdruck bringen: „Herr Jesus Christus, sei König, sei Herr!“ „Herr, wir wollen deine herrliche Herrschaft in unserem Leben sehen und erfahren!“

Wir könnten somit Gebet wie folgt definieren:

 Gebet ist der Aufschrei nach Gottes Reich – das Flehen darum, dass das zukünftige Reich Gottes jetzt schon in unser Leben und unsere Umstände (und das derer um uns herum) einbricht.

Diese Definition basiert auf Stanley J. Grenz’ Buch, Prayer: The cry for the Kindom (dt. “Gebet: Der Aufschrei nach dem Reich Gottes”) [Eerdmans, 2005]. Grenz führt diese Definition wie folgt weiter aus (S. 49):

Im Gebet ersuchen wir den allmächigen und souveränen Gott mit dem Anliegen, dass die Merkmale seiner Herrschaft (Vergebung, Lebensunterhalt, Erlösung, und die Fülle des Geistes) in unsere gegenwärtige Situation einbrechen, die mit Not, Mangel und Bedürfnissen gefüllt ist. Bittgebet ist also in anderen Worten die Bitte, dass die Zukunft in die Gegenwart einbricht. (eigene Übersetzung)

Lies einmal Offenbarung 4 oder 21. Hier finden wir eine Beschreibung der zukünftigen Herrschaft Gottes, wenn die Allmacht und Souveränität Gottes vollkommen manifestiert werden wird. Welch ein Tag wird das sein, wenn Gott die absolute Herrschaft hier auf der Erde haben wird? Wenn Gottes Fähigkeit und Absicht das Böse durch das Gute außer Kraft zu setzten ein für alle male triumphiert! Im Gebet bringen wir vor Gott zu Ausruck, dass wir diese Merkmale seiner zukünftigen Herrschaft—seine Souveränität und Allmacht—in unserem gegenwärtigen Leben vermissen. Unser Leben und Umfeld ist gezeichnet von den Folgen und Auswirkungen des Sündenfalls: Sünden wie Streit, Neid, Lieblosigkeit, Stolz und Egoismus, die ihre hässlichen Früchte in unserem Leben zeigen; aber auch Krankheit, Begrenztheit, Schwachheit und vieles andere, was unser Leben bedrückt.

Und so beten wir mitten in diesen Umständen: „Dein Reich komme! Oh Herr, die Merkmale deines zukünftigen Reiches mögen in meine dunkle Gegenwart einbrechen!“. Wie Grenz erklärt, sinnen wir im Gebet darüber nach, was das Einbrechen des Reich Gottes in jeder dieser Situationen bedeutet, und bitten dann dem gemäß Gott, dass er eingreift. Wir tragen Gott vor, was er uns in seinem Wort über sein Wesen offenbart, oder auch die Verheissungen, die er uns gegeben hat, und bitten ihn darauf basierend, dass er seinem Wesen und seinen Verheissungen entsprechend in unserem Leben eingreift (vgl. Grenz, 68f.). Somit wird das Gebet zum Ausdruck einer heiligen Unzufriedenheit mit der Gegenwart, einer fehlenden Bereitschaft Dinge dabei zu belassen, wie sie momentan stehen.

Nun wie sieht das ganz praktisch aus? Es gibt ein Ehepaar, das meiner Frau und mir sehr nahe steht und kurz vor einer Scheidung steht. Ich könnte auf vielerlei Art und Weise für diesen Fall beten. Aber wie sieht der Aufschrei nach Gottes Reich in diesem Fall aus? Ich appeliere an Gott, dass er, wie uns der Epheser verdeutlicht, seinen Sohn in die Welt gesandt hat, um in und durch ihn auf allen möglichen Ebenen Frieden zu schaffen—auch Frieden für Ehen (vgl. dazu Eph. 5, 22-33). Und so sehne ich mich im Gebet danach, dass Jesu Herrschaft in dem Leben meiner Bekannten mehr und mehr Form annimmt, auf dass durch Jesus Christus zur Ehre und als Zeugnis seiner Erlöserkraft, das Unmögiche möglich wird und diese Ehe gerettet wird. „Dein Reich komme, oh Herr!“

Dieses Beispiel ließe sich auf viele andere Gebetsanliegen übertragen. Gibt es eine bessere Zeit, so zur Weihnachtszeit zu beten anzufangen? In der Zeit, in der wir an die Geburt unseres Königs denken. In der Zeit, in der wir gedenken und feiern, dass Gott seinen Sohn in die Welt gesandt hat, um damit sein großes Erlösungswerk in Gange zu bringen. So lasst uns beten und singen, wie die letzte Strophe von „Macht hoch die Tür“ aussagt:

Komm, o mein Heiland Jesu Christ,
Meins Herzens Tür dir offen ist.
Ach zieh mit deiner Gnade ein;
Dein Freundlichkeit auch uns erschein.
Dein Heilger Geist uns führ und leit
Den Weg zur ewgen Seligkeit.
Dem Namen dein, o Herr,
Sei ewig Preis und Ehr.

Kai Soltau ist Dozenten an der Evangelikalen Akademie und im Vorstand von Evangelium21. Er lebt mit seiner Frau und Kindern in Wien.

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